Zunächst waren wir davon irritiert, dass das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim AdöR (Stuwe AdöR) auch nach Verkündung der Besetzung der Münzgasse 13 und abermaliger Gesprächseinladung den Kontakt mit den Bewohner:innen verweigert und lediglich eine Pressemitteilung voller leerer Versprechungen und falscher Behauptungen vom Schwäbischen Tagblatt drucken ließ.
Andererseits hätte es keinen besseren öffentlichen Beweis für das Verhalten des Studierendenwerks geben können. Nach mehr als sieben Jahren erfolglosen Bemühungen, mit dem Stuwe AdöR einen Dialog über die Zukunft der Münze 13 zu führen, sehen wir die Besetzung nach wie vor als letzten Ausweg, um für den Fortbestand des subkulturellen Zentrums und unseres Zuhauses einzustehen. Die Zermürbungstaktik, Zuständigkeiten zu verweigern und zu ignorieren praktiziert das Stuwe AdöR seit Jahren. Das kennen wir bereits und werden uns davon nicht unterkriegen lassen.
An dieser Stelle möchten wir einige Richtigstellungen und Ergänzungen vornehmen, auch wenn wir überrascht sind, dass wir mehr Wissen über die Immobilie und ein mögliches Veräußerungsverfahren besitzen als ihre Eigentümerin, das Studierendenwerk AdöR.
- Die Münze 13 befindet sich seit 1998 in Besitz des Studierendenwerks, war jedoch weder heute noch zum Zeitpunkt des Kaufes ein Studierendenwohnheim. Vielmehr zeichnet sich das seit der Besetzung 1977 gewachsene sozio-kulturelle Wohnprojekt, welches das Stuwe AdöR in seiner Pressemitteilung zu Recht anerkennt, durch eine gemischte Bewohner:innenschaft aus. Das Haus wird somit also NICHT „seit mehr als 100 Jahren als Studierendenwohnheim betrieben“, sondern WURDE von 1683 bis 1936 als Wohnraum für finanzschwache Stipendiaten genutzt und IST seit nun 44 Jahren ein Wohnprojekt, das ausdrücklich nicht nur Wohnraum für Studierende bereitstellt.
- Die „zwischenzeitliche Unterbrechung“ der Wohnnutzung betrug exakt 40 Jahre (von 1936 bis 1976) und begann mit der NS-Diktatur, welche in dem Gebäude eine Gestapo-Diensstelle einrichtete. In der Münze 13 wurden u.a. Deportationen organisiert und Gefangene verhört. Nach Ende des zweiten Weltkriegs ging das Gebäude an die Polizei über. Nach deren Umzug in einen Neubau wollte die Universität das Gebäude für Lehre und Verwaltung nutzen. Nur der Entschlossenheit der Besetzer:innen von 1977 ist zu verdanken, dass heute in der Münze 13 wieder sozial verträglicher Wohnraum besteht.
- Ein Verkauf würde nichts an der Struktur der Bewohner:innenschaft und der Verfügung günstiger Wohnplätze ändern. Der Verein Münze 13 e.V. bekennt sich weiterhin zu einer Studierenden- und Auszubildenenquote von 60 Prozent. Lediglich könnte das Stuwe AdöR die Zimmeranzahl nicht für seine Wohnheimsplatz-Statistik nutzen. Vielmehr würde eine Sanierung durch das Stuwe AdöR aller Wahrscheinlichkeit nach einen Wegfall von Wohnplätzen für Menschen bedeuten, die nicht studieren und es auf dem aktuellen Wohnungsmarkt nicht einfach haben, einen Wohnraum zu finden. Von dem Erlös aus dem Verkauf sowie den Einsparungen der notwendigen Sanierung, könnte das Stuwe AdöR jedoch weitere Wohnheimsplätze schaffen, die tatsächlich Studierenden zu Gute kommen.
- Es ist falsch, dass vor der Veräußerung „grundsätzlich eine offene Ausschreibung“ stattfinden müsste. Beispiele wie die Lu15 zeigen, dass das Stuwe AdöR verkaufen kann, wenn es möchte.
Wir fragen uns zudem, was es bedeutet, dass die „Liegenschaft nicht entbehrlich“ ist. Im Sinne eines nachhaltigen Gebäudemanagements müsste demzufolge ein Interesse an ihrer Instandhaltung bestehen. Wir sind voller Unglauben darüber, dass eine Besetzung notwendig ist, damit sich das Stuwe AdöR für den Zustand der Baussubtanz interessiert. Die erneute Zusicherung einer „zukunftssichernden Sanierung“ halten wir nach Jahrzehnten des Verfalls für wenig glaubwürdig. Zudem zeigen Beispiele wie die Wilhelma und Münze 7, dass Sanierungen durch das Stuwe Adör zu qualitativ mangelhaften Ergebnissen führen (Wilhelma) oder nicht im Sinne der Selbstverwaltung saniert wird, etwa durch veränderte Grundrisse (Münze 7). In beiden Fällen gingen die Sanierungen zudem mit massiven Mieterhöhungen einher. Auch wird es dem Stuwe AdöR nicht möglich sein, dem Wohnprojekt eine gesicherte Zukunft und eine Sanierung entsprechend „den Ansprüchen der derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner“ zu bieten – denn dies sind teilweise keine Studierenden, was streng genommen bereits jetzt einen Bruch des Erbauvertrags zwischen Land und Stuwe AdöR darstellt. Die jetzige Situation ist auch Studiereden gegenüber nicht fair: Das Stuwe AdöR sollte nicht Geld in ein Haus stecken, in dem nur zum Teil Studierende wohnen, sondern für das Geld lieber Wohnraum für Studierende schaffen.Was „eine bewusste Verschleppung von Sanierungsmaßnahmen findet nicht statt“ bedeuten soll, ist uns ein Rätsel. Waren die Sanierungsverschleppungen unbewusst, aus Versehen? Dies wäre ein deutliches Zeichen von Inkompetenz und Ignoranz gegenüber der Bewohner:innen, welche regelmäßig auf diverse Mängel hingewiesen haben. Aus einem bereits geführten Gespräch zwischen einer Bundestagsabgeordneten und einem Vertreter des Stuwe AdöR ging hingegen hervor, dass das Stuwe AdöR sich bewusst dazu entschieden hat, wichtige Sanierungen in der Münze 13 nicht vorzunehmen.Vor allem aber sind wir über den Punkt hinaus, in dem wir für das Wohnprojekt Münze 13 unter den derzeitigen Besitzverhältnissen noch eine Zukunft sehen. Unser soziokultureller Lebens- und Wohnraum ist nach wie vor bedroht und als einzigen Ausweg sehen wir eine echte Selbstverwaltung unter dem Dach des Mietshäuser Syndikats. Nach dem Kauf des Hauses werden WIR in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt unser Zuhause energetisch angemessen sanieren. Die Stadt Tübingen hat durchweg positive Erfahrungen mit der Sicherung und Schaffung von günstigem Wohnraum durch das Mietshäuser Syndikat gemacht. Auch deshalb wird unser Vorhaben parteiübergreifend aktiv unterstützt.
Wir fordern das Stuwe AdöR nochmal auf, endlich mit uns in Dialog zu treten! Es gibt keine sinnvolle Alternative.